Landwirtschaftliches Technologiezentrum Augustenberg
Standort: Augustenberg bei Karlsruhe
Kultur: Apfel (Natyra, Bonita, Freya, Swing, Topaz und Rubelit) und Birne (Conference und Novembra), biologischer Anbau
Anlagen: Forschungsanlage mit statischem und nachgeführtem System
0,6 ha
Verfügbare
Flächengröße
490 kWp
Installierte
Leistung
apfel birne
Kultur

Dr. Nicolai Haag, Greta Ott

Landwirtschaftliches Technologiezentrum Augustenberg

Agrarwissenschaftliche Forschung

Thomas Franke

AgriPV-Solutions

EPC

Forschungsanlage mit statischem und nachgeführtem System

Koordinaten: 49°00'14.3"N 8°29'34.0"E

Überblick

Pflanzenschutz

Zu den zentralen Aufgaben des Landwirtschaftlichen Technologiezentrums (LTZ) Augustenberg gehört die Entwicklung praxisnaher und umweltfreundlicher Lösungen für den Pflanzenschutz. Ein besonderer Fokus liegt auf dem integrierten Pflanzenschutz (§ 2 Pflanzenschutzgesetz): Dafür werden biologische, biotechnische, pflanzenzüchterische sowie anbau- und kulturtechnische Maßnahmen miteinander kombiniert, um Schaderreger möglichst nachhaltig zu kontrollieren. Der gezielte Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel erfolgt nur, wenn andere Methoden nicht ausreichen.

e Instrumente des integrierten Pflanzenschutzes
Instrumente des integrierten Pflanzenschutzes © LTZ

Als Grundlage des integrierten Pflanzenschutzes im Obstbau dienen resistente oder robuste Obstsorten sowie sorgfältig ausgewählte Anbau- und Pflegeverfahren. Besonders wichtig sind dabei auch der gezielte Schutz und die Förderung parasitischer Gegenspieler. So wird beispielsweise die Blutlauszehrwespe (Aphelinus mali) zum Einsatz, die ihre Eier in die Blutläuse legt – die sich entwickelnden Larven töten den Wirt ab. Gegen den bedeutendsten Obstbaumschädling, den Apfelwickler (Cydia pomonella), werden verschiedene Arten der Gattung Trichogramma eingesetzt. Zusätzlich können bereits Ende April Pheromonfallen in der Obstanlage aufgehängt werden. Diese locken männliche Falter an und halten sie mit fest, sodass die Paarung verhindert und die Anzahl der Nachkommen reduziert wird.

Vietmeier-Landwirtschaftskammer NRW
Einbohrstelle des Apfelwicklers. © Vietmeier/Landwirtschaftskammer NRW

Schorf zählt im Kernobstbau zu den bedeutendsten Krankheiten und verursacht regelmäßig erhebliche Ernteverluste. Das Schadbild wird durch parasitische Schlauchpilze der Gattung Venturia ausgelöst – beim Apfel von V. inaequalis, bei der Birne von V. pirina. Befallene Blätter zeigen braune bis schwärzliche Flecken oder ausgedehnte Nekrosen, während an den Früchten dunkle Flecken mit meist sternförmigen Rissen entstehen. Im Erwerbsobstbau erfolgt der Schutz der Bäume durch terminlich gezielte Pflanzenschutzmaßnahmen, die sich an aktuellen Warnmeldungen orientieren. Ausgelassene Spritzungen führen rasch zu Infektionen, besonders in niederschlagsreichen Jahren und Regionen ist deshalb eine konsequente und regelmäßige Anwendung von Pflanzenschutzmitteln notwendig. Zusätzlich werden widerstandsfähige Sorten wie Topaz, Freya und Natyra angebaut.

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Der Befall mit Apfelschorf ist sehr stark von den Witterungsverhältnissen abhängig. ©Kasman/pixabay


Referenzen

LTZ Augustenberg (2020). Die allgemeinen Grundsätze des integrierten Pflanzenschutzes. LTZ.

LTZ Augustenberg (2024). Integrierter Pflanzenschutz 2025: Erwerbsobstbau. LTZ.

Obstbauliche Forschungsfragen

Am LTZ Augustenberg werden sechs verschiedene schorfrobuste Apfelsorten (»Natyra«, »Bonita«, »Freya«, »Swing«, »Topaz« und »Rubelit«) sowie zwei Birnensorten (»Conference« und »Novembra«) unter zwei hoch aufgeständerten PV-Systemen biologisch bewirtschaftet. Ziel des Teilprojektes ist es, die Auswirkungen der verschiedenen PV-Modultypen (semitransparent und bifazial) sowie der PV-Systeme (statisch und nachgeführt) im Vergleich zu Anbauflächen mit herkömmlichen Hagelschutznetzen (Referenzflächen) zu untersuchen. Eine Besonderheit dieser Agri-PV-Anlagen ist die vollständige Einnetzung zum Schutz vor zufliegenden Schadinsekten.

Das LTZ Augustenberg übernimmt ebenfalls die landwirtschaftliche Forschung am Standort Oberkirch-Nußbach.

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Agri-PV-Systeme am Standort LTZ Augustenberg. © Fraunhofer ISE

Die pflanzenbaulichen Untersuchungen unter den PV-Modulen sowie auf der Referenzfläche des LTZ Augustenberg zielen auf Baumgesundheit und -wachstum, Ertrag, sowie Fruchtansatz - und qualität (Ausfärbung, Größe, Inhaltsstoffe) ab. Außerdem wird die Wirkung der Verschattung durch die PV-Module auf die natürliche Fruchtausdünnung, welche über das Lichtangebot gesteuert werden kann, untersucht . Durch die Verschattung kann die Triebkraft der Bäume angeregt werden, was für bestimmte Sorten dienlich ist – auch hierbei ist der Einfluss der PV-Module zu bewerten.

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Die Anlage wurde im Frühjahr 2024 errichtet. © Fraunhofer ISE

Weiterhin wird die Kombination von PV-Modulen und Kompletteinnetzung mit deren Einfluss auf Aufkommen, Befallsstärke und -intensität von Schaderregern (z. B. Apfelwickler, Apfelsägewespe, Blutlaus, Wanzen, Spinnmilben, Blattläuse, Schorf, Mehltau), sowie Nützlingen bewertet. Es kann davon ausgegangen werden, dass in der regendichten Agri-PV-Anlage Einsparungen von Pflanzenschutzmittel möglich sind. Hier sind entsprechende regelmäßige Bonituren im Verlauf der Vegetationszeit als Grundlage für Behandlungsentscheidungen, sowie für die Einschätzung der Agri-PV vorgesehen.

Die Boniturergebnisse unter den PV-Modulen werden mit den entsprechenden Daten der Kulturen und Sorten unter Hagelschutznetzen (Referenzfläche) verglichen.

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Das nachgeführte Teilsystem richtet die PV-Module an den Sonnenstand aus. ©Fraunhofer ISE

Neben obstbaulichen Forschungsfragen der untersuchten Kulturen sollen die Praktikabilität (z. B. hinsichtlich der Nutzung des abfließenden Regenwassers), der Umgang mit einer möglichen Schneelast auf den PV-Modulen und der Einfluss von Pflanzenschutzmitteln auf die PV-Module untersucht werden.

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Die semitransparenten PV-Module ermöglichen eine homogene Lichtverteilung. ©Fraunhofer ISE


Referenzen

Brevis (2021). Ein starker Partner für die Fruchtausdünnung. Leu+Gygax AG

Klophaus, L. & Baab, G. (2015). Apfelanbau unter Hagelnetz. Einfluss verschiedener Hagelnetzfarben auf Wachstum, Ertrag und Fruchtqualität. Obstbau

Technische Besonderheiten

Die Projektfläche am LTZ Augustenberg wird in vier Felder eingeteilt:

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Feld 1: Referenzfläche (Norden) mit Hagelschutznetzen ©Fraunhofer ISE

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Feld 2: Statische, semitransparenten PV-Module mit Ost-West-Ausrichtung ©Fraunhofer ISE

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Feld 3: Einachsig nachgeführte, bifaziale PV-Modulen ©Fraunhofer ISE

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Feld 4: Referenzfläche (Süden) mit Hagelschutznetzen ©Fraunhofer ISE

Daten:

  • Statisches System (Ost-West-Ausrichtung): 720 semi-transparente PV-Module à 300 Wp (216 kWp) mit 49 Prozent Lichtdurchlässigkeit
  • Nachgeführtes System: 720 bifaziale PV-Module à 380 Wp (274 kWp)
  • Hagel-und Insektenschutznetz um und über die gesamte Fläche; das Seitennetz kann nach der Ernte nach oben aufgerollt werden

Nachführung

Um gezielt auf die verschiedenen pflanzenbaulichen Bedürfnisse des angebauten Obstspektrums eingehen zu können und spezifische Licht- und Mikroklimabedingungen innerhalb einer Vegetationsperiode zu schaffen, eignen sich vor allem nachgeführte Systeme (sogenannte Trackingsysteme). Die PV-Module folgen dabei dem Lauf der Sonne und erzielen daher höhere Stromerträge als fest installierte Modulen. Möglich sind auch sogenannte »Anti-Tracking-Systeme«, die nicht dem Sonnenstand folgen, sondern mithilfe eines Nachführungsalgorithmus so gesteuert werden, dass sie optimal auf die Bedürfnisse der Pflanzen eingehen. Ein solcher Algorithmus wird derzeit am Fraunhofer ISE entwickelt und am Obsthof Vollmer erprobt. Das LTZ Augustenberg untersucht begleitend die Auswirkungen auf die Früchte.

Einnetzung

Die Anlage am LTZ Augustenberg wurde komplett gegen zufliegende Schadinsekten eingenetzt. Die Einnetzung erfolgt durchgängig über die gesamte Anlage inklusive Vorgewende. Nach der Ernte können die Seitennetze vom Blech gelöst und nach oben aufgerollte werden.

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Verbundenes Hagel- und Insektenschutznetz. © Constanze Mesca/LTZ Augustenberg

Ansprechperson
für den Standort
Bild Dr. Nicolai Haag_
Dr. Nicolai Haag
nicolai.haag@ltz.bwl.de

Anlagenbau

Die Errichtung der Anlage auf dem Gelände des LTZ Augustenberg erfolgte Mitte 2024.

Graphische Übersicht der Anlage

Verschaffen Sie sich einen Überblick über die Anlage am LTZ Augustenberg.

Copyright: © Fraunhofer ISE

Projektpartner